Reaktion auf homöopathische
Mittel *)
Nach der Verabreichung eines sehr gut gewählten, der
Krankheit ähnlichen homöopathischen Arznei antwortet
der Patient mit einer Reaktion. Diese "Reaktion"
macht sich durch bestimmte Zeichen und Symptome bemerkbar.
Die Art dieser Reaktion entscheidet über die weitere
Vorgehensweise. Der Zeitpunkt der Reaktion, ihre Stärke
und etwaige Modalitäten müssen vom Tierbesitzer
an den Therapeuten weitergegeben werden, weshalb es am besten
ist, wenn der Besitzer ALLE auftretenden Veränderungen
an seinem Tier aufschreiben sollte.
Erstreaktion
Kurz nach der Mittelgabe kommt es zum Teil zu einer anfänglichen
Verstärkung der Symptomatik. Dies wird als "Erstverschlimmerung"
bezeichnet, wobei der Ausdruck falsch ist, da es sich nicht
um eine Krankheitsverschlimmerung handelt, sondern um ein
deutliches Zeichen, dass (endlich) wieder etwas passiert und
das Mittel gut gewählt war.
Nach Hahnemann erfolgt die Heilung einer natürlichen
Krankheit durch Reaktion der Lebenskraft auf die Aktion der
umstimmenden Arznei (= Arzneikrankheit). Ob und wie stark
eine Erstreaktion auftritt hängt von der Potenz, der
Häufigkeit der Arzneigabe, der Erkrankung und der individuellen
Reaktionslage ab. Das Arzneimittel sollte erst einmal abgesetzt
und die Nachwirkung abgewartet werden.
Nur solche Symptome zählen zur Erstreaktion, die
schon vorher zum Krankheitsbild des Patienten gehörten.
Eventuell verschlimmern sich nur einzelne Dinge und andere
bessern sich. Am positivsten ist es, wenn die körperlichen
Zeichen schlechter werden (z. B. MEHR Haarausfall), aber der
Patient FÜHLT sich viel besser. Denn das Wichtigste muss
stets zuerst Heilen!
Im akuten und chronischen Fall ohne ernsthafte Gewebsveränderungen
kommt es bei gut gewählter und richtig dosierter Arznei
selten zu stärkeren Erstreaktionen. Eine rasch eintretende,
kurze, mehr oder wenig heftige Verschlimmerung ist ein Vorbote
für eine rapide und langdauernde Besserung des Patienten.
Sie ist es, die sich Homöopathen wünschen, was aber
nicht heißt, dass sie in jedem Fall eintreten muss.
Kommt es zur langdauernden Besserung ohne Erstreaktion, ist
das ein Zeichen dafür, dass das Mittel exakt auf den
jeweiligen Patienten gepasst hat.
In chronischen Fällen mit Gewebszerstörung kann
es jedoch nach KÜNZLI durch die Anwendung sehr hoher
Potenzen zu lange anhaltenden Verschlimmerungen kommen. Tritt
danach eine langsame Besserung ein, ist das ein Zeichen dafür,
dass der Patient am Rande der Unheilbarkeit stand. So kann
aus der Reaktion auf die Arznei erkannt werden, in welchem
Zustand die Gewebe sind und prognostische Schlüsse gezogen
werden. Die Prognose in einem solchen Fall ist gut, da der
Organismus noch in der Lage ist, auf die Arznei mit einer
Heilreaktion zu antworten.
Bei Tieren ist nach BÄR diese Reaktion gar nicht selten,
weil die Homöopathie oft erst als letzte Hoffnung des
Besitzers zum Einsatz kommt. Leider!
Verschlimmert sich jedoch die Krankheit als ganzes, d. h.
der Gesamtzustand des Patienten verschlechtert sich, auch
das Allgemeinbefinden, so handelt es sich um ein Fortschreiten
der Krankheit. Entweder wurde ein unpassendes Arzneimittel
(d. h. unähnlich oder für den jeweiligen Fall zu
tiefgreifend) gegeben, oder der Patient ist unheilbar.
Bessern sich einzelne Symptome nur für eine kurze Zeit,
kehren dann aber wieder zurück, handelt es sich um eine
Palliation. Darunter versteht man eine nur lindernde Behandlung,
im Gegensatz zu heilenden. Eine zu kurz andauernde Besserung
durch Palliation muss aber unterschieden werden von Störungen,
die die Wirkung der Arzneien negativ beeinflussen. Diese können
durch Antidote (= entgegen wirkende Medikamente oder ätherische
Öle, Kräuter-Tee's etc.), dem Tier nicht angepasste
Lebensumstände (schlechte Haltung, schlechtes Klima,
usw.) oder durch traumatische Einwirkungen (auch psychische)
hervorgerufen werden.
Im Unterschied zur Palliation verschwinden die Symptome bei
der Suppression (= Unterdrückung) nicht nur eine Zeit
lange, sondern dauernd. Dafür treten neue Symptome, meistens
an anderen Organsystemen auf, was einer Verlagerung der Krankheit
auf eine tiefere Ebene entspricht und so die Lebenskraft schwächt.
Deshalb muss bei der Interpretation der Arzneireaktion, gerade
wenn die störenden Symptome verschwinden, darauf geachtet
werden, ob es sich wirklich um eine Heilung und nicht um eine
Suppression oder Palliation handelt.
Bewertung neuer Symptome
Neue Symptome können vor allem bei längerer Behandlung
von chronischen Krankheiten in verschiedener Form auftreten.
Sofern die Arzneiwahl richtig war, werden die neuen Symptome
nach KÜNZLI nicht gravierend sein und verschwinden nach
einer gewissen Zeit von selbst. Diese hinzukommenden Symptome,
sofern sie im Arzneimittelbild des verabreichten Mittels enthalten
sind, werden als Nebensymptome der Arznei bezeichnet. Sie
treten auf, wenn die gewählte Arznei dem Krankheitszustand
nicht völlig entspricht und der Patient eine sehr feine
Sensibilität besitzt. Diese sind harmlos und klingen
rasch von selbst ab, sind jedoch ein Zeichen dafür, dass
die Arznei gewirkt hat.
Nach BÄR ist in der Tiermedizin besondere Vorsicht geboten,
denn häufig sind neu auftretende Symptome frühere
Symptome, die vom Halter nicht bemerkt wurden, besonders wenn
das Tier nicht von Jugend an beim gleichen Besitzer war. Kommt
es zur Rückkehr früherer Symptome, die lange verschwunden
waren, ist dies ein Zeichen, dass die Krankheit auf dem Weg
zur Heilung ist! Deshalb ist für die richtige Beurteilung
der Arzneireaktion eine genaue Anamnese mit Berücksichtigung
der Vorkrankheiten des Patienten unerlässlich. Die Prognose
ist gut, die Symptome werden in der Regel spontan wieder verschwinden.
Wird das Mittel zu lange und zu oft gereicht, kann es zum
Auftreten von Arzneimittelsymptomen kommen. Dies entspricht
einer ungewollten Arzneimittelprüfung.
Die Heringsche Regel = idealer Heilungsverlauf
Nach KÖHLER ist der beste Beweis für die Wirkung
einer Arznei nicht allein ihr Heileffekt, sondern ihre gerichtete
Wirkung mit verstärkter Erstreaktion vor der Heilphase,
die Auslösung von Nebensymptomen und die gesetzmäßig
verlaufende Heilung.
Der gesetzmäßige Verlauf der Heilung ist von Constantin
Hering in Anlehnung an die Beobachtungen Hahnemanns formuliert
worden. Deshalb wird diese Regel als Heringsche Regel oder
auch Heringsches Gesetz bezeichnet. Sie besagt etwas zum Verlauf
der Krankheit während einer homöopathischen Behandlung.
Hering beobachtete, dass sichere und dauerhafte Wiederherstellung
der Gesundheit erwartet werden kann, wenn die Symptome
in der Richtung von innen nach außen (d. h. zentrifugal),
von oben nach unten (d. h. bei Tieren von vorne nach
hinten) oder in der umgekehrten Reihenfolge ihres Auftretens
(d. h. die zuletzt aufgetretenen Symptome werden als erste
wieder vergehen und die ältesten Symptome als letzte)
verschwinden.
Wenn diese Richtungen eingehalten werden, kann man in Ruhe
abwarten und eine gute und dauerhafte Heilung vorhersagen.
Man muss aber wissen, dass die Richtung, welche die Symptome
bei der Heilung einschlagen, nicht im selben Moment alle drei
Kriterien zusammen zeigt, sondern dass im allgemeinen nur
eine der angegebenen Möglichkeiten jedes mal in Erscheinung
tritt. Dass heißt also zum Beispiel das Verschwinden
von vorne nach hinten, oder dasjenige von innen nach außen,
oder die dritte Art, in der umgekehrten Reihenfolge des Auftretens.
Als allgemeine Regel gilt nach KÜNZLI , dass das wichtigste
Kriterium das Wiederauftreten alter Symptome ist, das nächstwichtige
die zentrifugale Richtung der Symptome, d. h. von den lebenswichtigen
Organen zu den weniger lebenswichtigen, und das letzte die
Richtung von oben nach unten.
Folgemittel
Nach der ersten Verordnung ist ein chronischer Fall selten
abgeschlossen. Wie bei jeder Reiztherapie hat man sich einzig
und allein nach der Reizbeantwortung des Organismus zu richten.
Die Art der Arzneireaktion (s. o) entscheidet über das
weitere therapeutische Vorgehen. Das Verschwinden gewisser
Symptome, das Anwachsen anderer, die Besserung einzelner Symptome
und die Reihenfolge, in der das geschieht, müssen genau
beobachtet werden. Sind die Beobachtungen des Tierhalters
und die des homöopathischen Arztes unzureichend, werden
auch die Verschreibungen unzulänglich.
Der Verlauf der Therapie muss im Auge behalten werden, um
entscheiden zu können, wann erneut eingegriffen werden
muss und wann nicht. Kommt es nach der Verabreichung des homöopathischen
Arzneimittels zu einer fortschreitenden Besserung und schließlich
zur Heilung, so hat man das passende Simile in der in diesem
Fall wirksamen Potenz, gefunden. Wenn natürlich eine
Verschreibung nicht auf den Fall passte (was bei über
2.000 Mitteln in verschiedensten Potenzen doch passieren kann),
dann wird sie auch keine gravierenden Veränderungen auslösen.
Solange der Patient noch in der Phase ist, wo er auf die
erste Gabe reagiert, ist eine zweite Verschreibung unvernünftig.
Man soll warten, bis ein Stillstand eintritt oder die Reaktion
auf die erste Gabe aus dem Verlauf der Krankheit sicher gedeutet
werden kann.
Wiederholung der Arzneigabe
Nach HAHNEMANN, § 246 des Organons, soll man jede Wiederholung
irgend einer Arznei vermeiden, wenn die Besserung merklich
fortschreite und auffallend zunehme.
Auf die genaue Anwendung und den weiteren Therapieplan sollte
immer geachtet werden.
Ein erstes Anzeichen für die notwendige Wiederholung
der Arzneigabe ist die Wiederkehr der ursprünglichen
Symptome des Patienten. Nach der ersten Gabe trat eine Besserung
des Allgemeinzustandes auf, mit oder ohne Verschlimmerung,
worauf dann die ursprünglichen Symptome wiedergekehrt
sind und bestehen bleiben, entweder identisch, weniger schlimm,
oder schlimmer als anfänglich. Das fordert eine Wiederholung
der Arznei in der gleichen Potenz. Aber auch wenn sich die
Symptome verändern, das Allgemeinbefinden aber immer
noch besser ist, soll man das Arzneimittel nicht wechseln.
Wechsel des Arzneimittels
Hat sich nach der ersten Arzneigabe überhaupt nichts
verändert, war wahrscheinlich die Arzneimitteldiagnose
falsch (wenn alle anderen hemmenden Faktoren ausgeschlossen
werden können). Es müssen hier genauestens alle
Symptome nachgefragt werden, um dies zu bestätigen, wobei
das Allgemeinbefinden des Patienten besonders beachtet werden
muss.
Die wichtigste Indikation für einen Wechsel des Arzneimittels
bei der zweiten Verschreibung ist, wenn neue Symptome nach
der ersten Verschreibung auftauchen oder bestimmte Einzelsymptome
der Ursprungskrankheit übrig bleiben.
Die Wahl der zu gebenden Arznei muss sich auf die ursprünglichen
Symptome und zusätzlich auf die neuen Symptome stützen,
wobei den neuen mehr Bedeutung zukommt.
Zusammenfassung
Sie sehen, die klassisch homöopathische Behandlung ist
nicht so leicht, wie Sie in einigen Büchern für
Laien beschrieben wird (so á la : Blasenentzündung:
nehmen Sie Cantharis usw.). Überlassen Sie die Behandlung
Ihres Tieres unbedingt einem gut ausgebildeten Spezialisten!!
*) Text zum Teil aus dem "Skriptum
an die Veterinärmedizinische Universität Wien von
Peter Knafl" mit Genehmigung des Urhebers entnommen
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